Ich werde nichts über den Tod schreiben, weil ich den Tod nicht kenne. Ich kenne nur das Wort, Tod, tot, ermordet, und Bilder, die dabei im Kopf entstehen. Es sind meistens Leichen und Blut, erstochen, erschossen, aufgehängt. Aufgezwungene Bilder sind das, Bildschirm-Bilder. Ich werde nicht über den Tod schreiben. Weil ich keine Erfahrung mit dem Tod habe.
Ich werde auch nicht über das Leben schreiben, denn weil ich den Tod nicht kenne, kenne ich nur das Leben. Es gibt für mich nichts anderes als Leben, es gab nichts anderes. Ob es etwas anderes geben wird, weiß ich nicht. Ich werde nicht über das Leben schreiben, weil ich nichts anderes als das Leben kenne. Und warum über etwas schreiben, das immer da ist?
Ich werde nicht über die Menschen schreiben, denn ich kenne die Menschen nicht. Oder ich kenne sie zu wenig. Ich kann nur mutmaßen, was in einem Menschen vorgeht. Was macht er als nächstes, warum hat er gemacht, was er gemacht hat? Ich kann darüber nur spekulieren. Es kann so sein oder anders, wissen werde ich es nicht. Ich werde nicht über die Menschen schreiben, weil die Menschen ein Rätsel für mich sind.
Ich werde nicht über die Natur schreiben, weil die Natur mir fremd ist. Natürlich sehe ich das, was man Wald und Baum nennt. Ich weiß, was Himmel, Berge, Meer bedeutet. Aber ihr Wesen kenne ich nicht. Ich bin da, und dort draußen ist das Meer – ich will es erfassen, doch ich erfasse es nicht. Ich bin zu sehr ein Punkt, als dass ich die Natur erfassen kann. Ob ich ein Teil der Natur bin? Ich fühle es nicht. Ich werde nicht über die Natur schreiben, weil ich nicht wirklich weiß, was Natur ist.
Ich werde nicht über Gott schreiben, denn Gott ist nur ein Wort, eine Hülse, nichts Fassbares. Ich kann über Gott denken als etwas Höheres oder als etwas, das überall ist. Aber ich kann ihn mir nur denken. Ich werde nicht über Gott schreiben, weil ich ihn nicht erfahre.
Ich werde nicht über die Hölle schreiben, weil Hölle heißt: alles Schlechte, was Menschen erleben oder sich vorstellen, erleben zu können. Hölle ist etwas erlebbares, was übersetzt heißt: Schmerzen, Leid, etwas, was man nicht erleben möchte. Ich werde nicht über die Hölle schreiben, weil es nur ein Begriff ist für Erfahrungen im Leben, die man nicht erleben möchte oder vor denen man sich fürchtet. Hölle heißt Angst – ein Gefühl.
Ich werde nicht über Gefühle schreiben, weil Gefühle beschreiben bedeutet, Gefühle auslösen zu wollen oder ohne es zu wollen, auszulösen. Über Gefühle schreiben heißt manipulieren, einwirken, Reaktion hervorrufen. Ich werde nicht über Gefühle schreiben, weil es Theaterspiel und Zeitvertreib ist.
Ich werde nicht über den Körper schreiben, weil es heißt, sich festzulegen und nie zufrieden sein. Schön, hässlich, gesund, krank, Schmerz, Druck, Unwohlsein. Ich werde nicht über den Körper schreiben, weil Körper Empfindung und Gedanke ist.
Ich werde nicht über Empfindungen schreiben, weil Empfindungen den Gefühlen nahe stehen, nur stofflicher, fester. Ich werde nicht über Empfindungen schreiben, weil sie eine Variation von Gefühlen sind.
Ich werde nicht über Gedanken schreiben, weil über Gedanken schreiben heißt, neue Gedanken gebären. Es hat kein Anfang und kein Ende mit den Gedanken. Sie befruchten sich gegenseitig und fließen dahin. Eine innere Stimme spricht und ich muss zuhören. Was erzählt sie mir? Mal dies und mal jenes, aber doch immer dasselbe. Ich werde nicht über Gedanken schreiben, weil Gedanken mich zum Sklaven halten.
Ich werde nicht über den Tod, nicht über das Leben, nicht über die Menschen, nicht über die Natur, nicht über Gott, nicht über die Hölle, nicht über Gefühle, nicht über den Körper, nicht über Empfindungen und nicht über Gedanken schreiben.
Doch worüber werde ich dann schreiben?
Über kosmisches Grundrauschen.
Über schwarzes Rauschen.
Über weißes Rauschen.
Über farbloses Rauschen.
Über den Raum, wo sich die kleinstmöglichen der kleinstmöglichen Teilchen begegnen.
Über den Raum, wo es keine Teilchen mehr gibt.